Der Kantor von Oslebshausen
Der Herr der Glocken
Wie Uwe Barkemeyer die Nikolai-Kirche zum kulturellen Zentrum Oslebshausens gemacht hat
Oslebshausen. Dort, wo im Gemeindesaal der Nikolai-Kirche in Oslebshausen normalerweise der Flügel steht, werden einmal pro Woche die Gymnastikmatten ausgerollt. Dann gibt Kantor Uwe Barkemeyer zunächst eine Gymnastikstunde, dann wird gesungen und schließlich geklönt, jeweils eine halbe Stunde lang. „Das macht allen viel Spaß“, sagt er. Ein niedrigschwelliges Angebot wie so viele, die der Kantor für die fusionierten Gemeinden in Gröpelingen und Oslebshausen entwickelt hat.
Singen können müsse man nicht, um daran teilzunehmen, sagt Barkemeyer, leitender Kirchenmusiker an der Nikolai-Kirche. Musik ist für den ausgebildeten Physiotherapeuten und Gymnastiklehrer, der somit eher ein Quereinsteiger in der Kirchenmusik ist, ein Lebenselixier. Genauso wie Bewegung. Und das ist ganz offenbar ansteckend. Das zwanglose Mitsing- und Gymnastik-Format entwickelte er aus der Corona-Pandemie heraus, als gemeinsames Singen nur mit großen Abständen zueinander erlaubt war. Aber das ist noch längst nicht alles, was der Kantor in seinen 32 Dienstjahren angestoßen hat.
In der Ära Barkemeyer hat sich die Nikolai-Kirche zu einem kulturellen Zentrum im Bremer Westen entwickelt. Auch der von ihm ins Leben gerufene Kinderchor erfreut sich großer Beliebtheit. Der Kantor gibt den 15 Mitgliedern in jeweils drei Gruppen Gesangs- und Instrumentalunterricht.
Auch das beginnt ganz niedrigschwellig: Da wird gebastelt und es werden Noten gemalt, erzählt er. Dazu gibt es eine Schnitzeljagd zu vier Klavieren durchs ganze Gemeindehaus, bei der es verschiedene Aufgaben zu bewältigen gilt. Aber auch an der Orgel in der Nikolai-Kirche dürfen die Kinder üben. „Es ist ganz unterschiedlich, was sie können und mitbringen“, sagt er. Darüber hinaus gibt Barkemeyers Frau, die Sopranistin Julia Trageheim, Stimmbildungs- und Gesangsunterricht. Alle diese Angebote sind kostenfrei und werden von der Gemeinde finanziert.
Als im Zuge des Umbaus der Andreaskirche die alte, in Mitleidenschaft gezogene Orgel ab- und nicht wieder aufgebaut und dafür ein elektrisches Digitalinstrument angeschafft wurde, machte die Bremische Evangelische Kirche (BEK) aus der Not eine Tugend und kaufte eine sogenannte kleine Bausatz-Orgel. Wie eine richtige, große Orgel verfügt sie über alle notwendigen Bestandteile wie Blasebalg, Tastatur und Pfeifen. Wenn die zusammengebaut werde, stoße das auf besonderes Interesse bei den Kindern, erzählt der Kantor. Und sie dürften dabei sogar mithelfen.
Auf hohem Niveau bewegen sich die drei Chöre, die Barkemeyer gegründet hat: Chorios, Gosem und der Glockenchor. Der reine Frauenchor Chorios wurde 2017 nach der Fusion der Evangelischen Gemeinden Gröpelingen und Oslebshausen gegründet. „Das ist unser Konzertchor“, sagt Barkemeyer. Dazu kommt der gemischte, ökumenische Chor Gosem. Der Name steht für Gospel und etliches mehr. Eine weitere Kostbarkeit gibt es in Oslebshausen zu entdecken: den Bremer Glockenchor, 2006 als erster im norddeutschen Raum gegründet. Im Probenzimmer des Gemeindehauses, das über die Kirche zu erreichen ist, führt der Kirchenmusiker die 52 blank geputzten Messingglocken vor und schlägt sie an: Die kleinen klingen hell, die großen dunkel. Im Konzert tragen die Spieler dazu weiße Handschuhe. Die Glocken verleihen der Musik eine fast magische Note.
Uwe Barkemeyer schwärmt: „Das sind handgegossene Glocken, die über bis zu vier Oktaven verfügen. Die Töne klingen perfekt, das ist einfach eine wunderbare Art, Musik zu machen. Und es lässt sich relativ schnell lernen. In den USA sind Handglocken so weit verbreitet wie bei uns der Posaunenchor“, erläutert er. Die Handglockentradition stammt aus englischen und amerikanischen Kirchen, in deren Türmen Glöckner mehrere Glocken im Wechsel läuten. Zum Proben und Üben des Wechselläutens nutzen sie Handglocken.
Der Bremer Handglockenchor ist so einzigartig, dass seine Auftritte auch überregional gefragt sind. So bei der Uraufführung des Oratoriums „Und vergib uns unsere Schuld“ zum 100-jährigen Bestehen der Kantorei St. Martini in Nortorf als Teil eines riesigen Orchesters. Die Glocken überraschten die Hörer dann auch im Rahmen eines Fernsehgottesdienstes in Kiel. Und so werde laut Barkemeyer öfter die Frage gestellt: „Was, und das hier in Oslebshausen?“
Der Chor Chorios tritt gemeinsam mit dem Glockenchor am Sonnabend, 20. Dezember, um 17 Uhr in der Martin-Luther-Kirche, Neukirchstraße 86, in Findorff, und am Sonntag, 21. Dezember, um 17 Uhr in der Nikolai-Kirche in Oslebshausen, Ritterhuder Heerstraße 3, auf. Auf dem Programm stehen Werke von John Rutter und John Behnke. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.
Sigrid Schuer
Der Herr der Glocken
Uwe Barkemeyer
Wasserkunst 5
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